Drum trockne meine Tränen DIE ZEIT, Ausgabe 08, 2009
Die Bedeutung des Weinens für die Reinigung des Gemüts wird überschätzt. Wohltuend wirkt es nur, wenn ein Tröster dabei ist Weinen allein hilft wenig. Wir brauchen jemanden, der uns tröstet
Es lüftet die Lungen, wäscht das Gesicht rein, stärkt die Augen und beruhigt das Gemüt«, so preist der Armenhausleiter Bumble in Charles Dickens’ Roman Oliver Twist die Vorzüge des Weinens. Bis heute hält sich die Auffassung, dass Tränenausbrüche eine wohltuende Wirkung haben: Bloß nicht die Tränen unterdrücken, denn Weinen wirkt befreiend.
Doch das ist nur bedingt richtig, berichten Forscher in der Dezemberausgabe der Fachzeitschrift Journal of Social and Clinical Psychology. Wie sich die Tränenströme auf die Psyche auswirken, hängt stark von der jeweiligen Situation ab, in der sie vergossen werden. Die Psychologen Lauren Bylsma und Jonathan Rottenberg von der University of South Florida werteten zusammen mit Ad Vingerhoets von der niederländischen Universität Tilburg die Weinerlebnisse von rund 5000 Versuchspersonen aus.
Eine knappe Mehrheit der Probanden berichtete, sich nach dem Weinen besser als zuvor gefühlt zu haben, während zehn Prozent eine Verschlechterung ihres Zustands beklagten. Die Ursache für diese Effekte konnten die Forscher größtenteils auf die Reaktion des Umfelds zurückführen. So verbesserte das Weinen besonders dann die Stimmung, wenn eine zweite Person anwesend war und Trost spendete. Wer allein vor sich hin heulte, verspürte weniger Erleichterung. Das Weinen in größeren Gruppen hingegen wurde darüber hinaus oft als regelrecht unangenehm empfunden. Die entscheidende Erkenntnis ist daher für Koautor Ad Vingerhoets, dass sich Tränen vor allem durch ihre sozialen Aspekte positiv auswirken.
Diese Ergebnisse passen nicht zur Katharsistheorie des Weinens. Sie geht zurück auf den US-amerikanischen Biochemiker William Frey, der in den achtziger Jahren Tränen auf ihre chemische Zusammensetzung hin untersucht hatte. In den Tränen, welche die Probanden bei traurigen Filmen vergossen, stellte er fest, dass sie sich in Eiweiß- und Stresshormongehalt deutlich von profanen Tränen unterscheiden, wie sie zum Beispiel beim Zwiebelschneiden fließen. Seine Deutung, dass kräftige, durch tiefe Empfindungen hervorgerufene Tränenströme eine reinigende Wirkung haben, geistert noch heute durch die Literatur. Vingerhoets widerspricht: »Wenn Weinen die Stimmung hebt, ist das kein physiologischer Effekt.« Tränen seien vielmehr eher dann erleichternd, wenn ein Tröster sie trockne. Häufige Auslöser von Tränenattacken sind laut Vingerhoets übrigens Heimweh und Verliebtheit.
Von Marlene Weiss | © DIE ZEIT, 12.02.2009 Nr. 08
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Lache niemanden aus, der gerade drei Schritte rückwärts geht..... Er könnte grade Anlauf nehmen!
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