Medikamente gegen Depressionen (Antidepressiva)
Bei Menschen mit Depressionen liegt ein Ungleichgewicht der Botenstoffe (Transmitter) im Gehirn vor, vermuten Wissenschaftler. Beispiele sind Serotonin, Dopamin, Noradrenalin oder Histamin. Antidepressiva greifen in die verschiedenen Botenstoffsysteme ein. Wirkungen und Nebenwirkungen ändern sich je nachdem, welche und wie viele Botenstoffe beeinflusst werden. Alle Antidepressiva sorgen dafür, dass die Botenstoffe an ihren Wirkorten länger zu Verfügung stehen. Sie verhindern die Rück-Aufnahme der Botenstoffe in ihre Speicher, blockieren ihren Abbau oder bewirken, dass der Botenstoff vermehrt aus seinen Speichern ausgeschüttet wird.
Die älteren, klassischen Medikamente greifen in mehrere Botenstoffsyteme ein. Sie sind sehr breit und gut wirksam, aber leider nicht so gut verträglich. Überdosierungen mit diesen Medikamenten können gefährlich werden. Heute werden sie deshalb vor allem bei schweren Depressionen eingesetzt.
Neue, moderne Medikamente greifen gezielter nur in bestimmte Botenstoffsysteme ein. Sie sind wesentlich besser verträglich, manche davon wirken aber nur bei leichten bis mittelschweren Depressionen.
Klassische Antidepressiva
Trizyklische Antidepressiva (Trizyklika)
Trizyklika werden hauptsächlich bei schweren depressiven Erkrankungen verordnet. Aber auch bei chronischen Schmerzen, Panikattacken, Angststörungen, Zwangssyndromen und Bulimie entspannen sie die Lage des Patienten. Der Name beruht auf der chemischen Struktur mit drei (tri) Ringen (Zyklen).
Trizyklika haben sehr breite und unterschiedliche Wirkungen. Sie hemmen beispielsweise die Wiederaufnahme von Serotonin und Dopamin in ihre Speicher, was sich positiv auf die Stimmung auswirkt. Sie können aber auch den Histamin-Spiegel beeinflussen, was entspannend wirkt, oder den Antrieb stärken, indem sie in den Noradrenalin-Haushalt eingreifen. Die stimmungsaufhellende Wirkung stellt sich meist erst zwei bis sechs Wochen nach Beginn der Einnahme ein. Nachteilig sind die stärkeren Nebenwirkungen mit Mundtrockenheit, Verstopfung und Gewichtszunahme.
Imipramin, Clomipramin und Lofepramin wirken stimmungsaufhellend. Nortryptilin und Desipramin behandeln eine ausgeprägte Antriebslosigkeit. Amitryptilin, Doxepin und Trimipramin sind schlafanstoßend (Einschlafhilfe) und bremsen einen zu großen Antrieb. Opipramol hilft bei starken Angstgefühlen.
Tetrazyklische Antidepressiva (Tetrazyklika)
Tetrazyklika wirken ähnlich umfassend und unspezifisch wie die Trizyklika, insgesamt aber nicht so stark. Damit sind sie zwar besser verträglich, aber auch weniger wirksam. Tetrazyklika haben einen stärkeren Einfluss auf den Noradrenalin-Spiegel im Gehirn und wirken sich positiv auf den Antrieb aus. Sie werden beispielsweise älteren Menschen mit ausgeprägter Antriebsschwäche verschrieben. Ihre chemische Struktur enthält vier (tetra) Ringe (Zyklen).
Maprotilin wirkt stimmungsaufhellend und beruhigend, Mianserin zusätzlich angstlösend. Der beruhigende und angstlösende Effekt tritt in der Regel sehr schnell ein, während die stimmungsaufhellende Wirkung erst nach etwa zwei Wochen einsetzt. Mirtazapin ist besonders für älteren Menschen geeignet, da es den Kreislauf nur wenig belastet und aufgrund seiner beruhigenden Wirkung auch als Einschlafhilfe wirkt.
Mono-Amino-Oxidase-Hemmer (MAO-Hemmer)
Das Enzym Mono-Amino-Oxidase (MAO) baut im Körper unter anderem die Botenstoffe Noradrenalin und Serotonin ab. Dabei unterscheidet man zwei verschiedene Typen der MAO: MAO-A und MAO-B. Werden diese Enzyme gehemmt, steigt die Konzentration von Noradrenalin und Serotonin im Hirnstoffwechsel an.
Tranylcypromin hemmt beide Formen der MAO. Dadurch ist es bei schweren Depressionen selbst dann wirksam, wenn andere Antidepressiva zuvor keine Besserung gebracht haben. Der große Nachteil ist allerdings seine schlechte Verträglichkeit, weil auch andere Botenstoffe nicht mehr abgebaut werden können. Dies betrifft vor allem die Aminosäure Tyramin. Verbleibt Tyramin in zu großen Mengen im Körper, kann der Blutdruck stark ansteigen. Daher sind regelmäßige Kontrollen des Blutdrucks notwendig.
Tyramin kommt in vielen Lebensmitteln vor. Patienten müssen deshalb eine strenge Diät einhalten, die u.a. den Genuss von reifem Käse, eingelegten Heringen, Weintrauben und Rotwein verbietet. Tranylcypromin zerstört außerdem die MAO, eine Hemmung ist also nicht mehr rückgängig zu machen (irreversible Hemmung). Nach einer Therapie muss der Körper das Enzym erst wieder neu bilden. Der Aufbau kann bis zu drei Wochen dauern, weshalb Wirkungen und Nebenwirkungen von Tranylcypromin entsprechend lange anhalten.
Moclobemid wirkt gut bei Ängsten im Umgang mit Menschen (soziale Phobien) und bei schweren Depressionen. Im Gegensatz zu Tranylcypromin hemmt es nur den Untertyp MAO-A. Tyramin kann in diesem Fall noch durch MAO-B abgebaut werden. Eine spezielle Diät müssen Patienten hier nicht einhalten. Moclobemid blockiert die MAO lediglich, zerstört das Enzym aber nicht. Die Hemmung hebt sich nach einiger Zeit wieder auf (reversible Hemmung).
Moderne Antidepressiva
Selektive Serotonin Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI)
SSRI blockieren das Transportmolekül, das den Botenstoff Serotonin wieder in seine Speicher zurück befördert. Die Medikamente wirken vor allem aktivierend, stimmungsaufhellend und angstlösend. Geeignet sind sie vor allem bei leichten und mittelschweren Depressionen und gegen Ängste im Umgang mit vielen Menschen (Soziophobie). Sie machen kaum müde und wirken nur wenig appetitsteigernd.
Zu dieser Gruppe gehören die Wirkstoffe Escitalopram, Citalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin und Sertralin.
Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (NARI)
NARI verhindern gezielt die Wiederaufnahme des Botenstoffes Noradrenalin in die Nervenzellen. Das Anwendungsgebiet liegt bei den leichten und mittelschweren Depressionen, vor allem wenn die Patienten unter Antriebslosigkeit, Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Alltags und fehlenden gesellschaftlichen Kontakten leiden. Wirkstoffe aus dieser Gruppe sind Reboxetin und Viloxazin.
Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI)
Venlafaxin ist bisher der einzige Wirkstoff, der gezielt die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin durch die Nervenzellen hemmt. SNRI wirken stimmungsaufhellend und antriebssteigernd.
Atypische Antidepressiva
Atypische Antidepressiva erhöhen ebenfalls die Konzentration von Serotonin und Noradrenalin. Im Gegensatz zu den SNRI blockieren sie jedoch nicht die Wiederaufnahme in die Speicher, sondern erhöhen ihre Ausschüttung aus den Speichern.
Trazodon wirkt stimmungsaufhellend, angstlösend und beruhigend. Zudem steigert es die sexuelle Leistungsfähigkeit und das sexuelle Empfindungsvermögen.
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