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 Betreff des Beitrags: Internetsucht
BeitragVerfasst: Samstag 16. Juni 2007, 20:57 
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Internetsucht

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"Immer mehr Frauen beschweren sich über das Suchtverhalten ihrer Partner." So klagt eine Frau, die sich unter dem Pseudonym 'Rachel' Ratschläge gegen Internetabhängigkeit von Angehörigen holt: 'Mein Mann zerstört mit seiner Sucht nicht nur unsere Ehe. Er hat sich dramatisch verändert.' Das Surfen im Internet wird für immer mehr Menschen zur Droge."

"In Kalifornien (...) opferte ein Mann seine sämtlichen Einkünfte für Online-Dienste und verzichtete dafür sogar auf einen festen Wohnsitz. Nachdem der Obdachlose beim Diebstahl von Batterien verhaftet worden war, sagte er, online zu sein, wäre ihm wichtiger, als ein Dach über dem Kopf zu haben. Im World wide web hätte er endlich Freunde gefunden."

Solche und ähnliche Meldungen häufen sich zunehmends in der Presse. Mittlerweile wird das Problem Internetsucht auch in Deutschland nicht mehr geleugnet: Persönliche Berichte und Hilferufe Betroffener finden immer mehr Beachtung. Dennoch ist man sich vielerorts nicht darüber im Klaren, wie man mit dem Phänomen Onlinesucht umgehen soll.

Definition
Die Frage, ob es sich bei der „Internetsucht“ um eine Erkrankung handelt, ist umstritten. Während z.B. Alkoholsucht seit Langem als Krankheit anerkannt ist, stellt sich die Frage, ob man aber auch vom Internet süchtig werden kann.

Diese Frage spaltet seit einiger Zeit die Psychologen in zwei Lager: Auf der einen Seite gibt es die Anhänger und Befürworter der Theorie des New Yorker Psychiaters Ivan Goldberg, der den Begriff der Internetsucht (engl.: internet addiction disorder, kurz: IAD) 1995 erstmals einführte. Die Abhängigkeit wird in dieser Theorie als ein psychisches Problem beschrieben: Die exzessive Nutzung des Internets wird dann als Internetsucht bezeichnet, wenn das Verhalten den wissenschaftlichen Kriterien für eine Sucht entspricht.

Auf der anderen Seite gibt es die Kritiker des Begriffs „Internetsucht“, der - ihrer Meinung nach - als Beschreibung des Phänomens nicht zutreffend ist: Um das problematische Verhalten als Sucht bezeichnen zu können, fehlt die stoffliche Ebene, die körperliche Abhängigkeit samt schwerster bis lebensbedrohlicher Entzugssymptome hervorruft. Außerdem sei nach Ansicht dieser Kritiker noch unzureichend geklärt, was genau beim Internet süchtig macht.

Bernad Batinic, Wissenschaftler am Fachbereich Psychologie der Universität Gießen, hat es folgendermaßen ausgedrückt: "Das Problem Internetsucht existiert. Es gibt Menschen, die sich den Konsum des Internets nicht einteilen können, beziehungsweise nicht damit aufhören können. Doch die Linie zwischen noch normal und bereits süchtig ist sehr schwer zu ziehen."

Allerdings ist er davon überzeugt, dass es keinen Automatismus bei der Entwicklung einer Onlineabhängigkeit gibt: "Um süchtig zu werden, müssen bestimmte psychische Vorschäden bereits vorhanden sein. Schließlich werden auch nicht alle Menschen, die Alkohol trinken, automatisch zum Alkoholiker."


Häufigkeit
In den USA - einem Land, das Europa in Sachen Internet ca. zwei Jahre voraus ist - wird die Zahl der an Internetsucht Erkrankten auf ca. 200.000 geschätzt. Diese Schätzung geht aus einer Studie der amerikanischen Psychologie-Professorin Kimberly S. Young hervor. Young gilt als erste „Cyber-Psychologin“ der Welt. Sie leitet in Bradford (Massachusetts) das "Center for On-Line Addiction" der Universität Pittsburgh. Young schätzt die Internetsucht, die sie "pathological internet use" (PIU) nennt, weltweit auf etwa 7 Prozent der Nutzer des Internets.

Über Europa gibt es noch keine umfassenden statistischen Daten, da das Problem hier noch zu neu ist. Hingegen mehren sich aussagekräftige Ergebnisse mehrerer kleinerer, manchmal regionaler Umfragen, die innerhalb von Betrieben oder Web-Gemeinschaften durchgeführt werden.

Im deutschsprachigen Raum gibt es eine nennenswerte Studie, die von zwei österreichischen Medizinern (H. D. Zimmerl und B. Panosch) durchgeführt wurde. Anliegen dieser Studie war es, zu überprüfen, ob sich das Phänomen Internetsucht wissenschaftlich belegen lässt. Die Studie ergab, dass 12,7 Prozent der 473 Probanden ein suchtartiges Verhalten im Umgang mit dem Internet aufwiesen. Aus dieser Subgruppe bejahten 30,8 Prozent, rauschähnliche Erlebnisse bei intensivem Chatten zu haben. Und 40,9 Prozent dieser Gruppe stuften sich selbst als "süchtig" ein.


Ursachen
Ursachen für die Internetsucht sind die Attraktivität des Internet durch damit verbundene neue Handlungsmöglichkeiten wie die Realitätsflucht und das Experimentieren mit der eigenen Identität.

Das Fliehen vor der Realität kann Flucht vor persönlichen Problemen bedeuten; vor Problemen mit sich selbst (z.B. Minderwertigkeitskomplexe) oder mit seinem sozialen Umfeld (Integrationsschwierigkeiten, Probleme der Kontaktaufnahme, Einsamkeit etc.). Die darin verborgenen Wünsche werden in der Realität nicht erfüllt, sodass das Internet mit seinen geschützten, anonymen Räumen stellvertretend aufgesucht wird, um Depressionen, Angstzustände oder einfache Alltagsverstimmungen zu bekämpfen.

Das Experimentieren mit der eigenen Identität ist ein Phänomen, das der heutigen Anforderung nach Flexibilität gerecht werden soll. Häufiger Arbeitsplatzwechsel, neue Erziehungsmodelle, neue Geschlechterrollen und sich ständig erneuernde Technologien verlangen vom Einzelnen stets Flexibilität und Wandlungsfähigkeit. Sie zeigen, dass alles von kurzlebiger Dauer ist und immer beliebiger wird. Das Internet bietet in diesem Zusammenhang den idealen Rahmen: Im virtuellen Cyberspace kann man den Rollentausch spielerisch üben und ihn ausleben (z.B. beim "gender switching" (Geschlechtertausch)). Es gelingt einem so eventuell leichter, den gesellschaftlichen Kriterien zu entsprechen. Gerade die Möglichkeit, im Rahmen des Internets mit der eigenen Identität zu experimentieren, scheint ein Grund dafür zu sein, dass insbesondere Jugendliche Gefahr laufen, eine Internetsucht entwickeln.


Symptome
Auch wenn es noch keine verbindliche Definition der Krankheit Internetsucht mitsamt ihrer Symptomatik gibt, sind sich die Psychologen zumindest darüber einig, dass charakteristische Symptome bestehen:

-Häufiges unüberwindliches Verlangen, ins Internet einzuloggen
-Kontrollverlust (d.h. längere Nutzung des Internets als beabsichtigt) verbunden mit diesbezüglichen Schuldgefühlen
-sozial störende Auffälligkeit im engsten Kreis der Bezugspersonen (Freunde, Partner, Familie)
-Nachlassen der Arbeitsfähigkeit, das auf die Internetsucht zurückzuführen ist
-Verheimlichung/ Bagatellisierung der Gebrauchsgewohnheiten
-Psychische Irritabilität, wenn die Nutzung des Internets verhindert wird (dies kann sich auswirken in Form von Nervosität, Reizbarkeit und Depression)
-Mehrfach fehlgeschlagene Versuche, die Nutzung des Internets einzuschränken

Häufig kommt es durch die lange Computernutzung zu körperlichen Schäden:

-Durch falsche Sitzhaltung können Verspannungen bis hin zu Wirbelsäulen- und Genickschäden auftreten
-Das lange, ununterbrochene Starren auf den Bildschirm kann auf Dauer den Sehapparat schädigen.
-Langes Surfen kann zusätzlich Dauerstress verursachen, der sich in Form von Kopfschmerzen, Schlafstörungen bis hin zu Nervenschädigungen auswirken kann.
-Je nach individuellen Risikofaktoren können Kreislauf- und Gewichtsprobleme auftreten.

Außerdem können noch folgende Nachteile entstehen:
-hohe Telefon- bzw. Online-Kosten,
-Realitätsverlust,
-Scheitern menschlicher Beziehungen,
-soziale Isolation, sowie
-Arbeitslosigkeit und Verarmung.

Diagnose
Bei der Diagnose der Internetsucht lassen sich drei Stadien unterscheiden:

Gefährdungsstadium: Vorliegen von bis zu drei der typischen Symptome in einem Zeitraum von bis zu sechs Monaten;

Kritisches Stadium: Vorliegen von zumindest vier der genannten Symptome in einem Zeitraum von bis zu sechs Monaten;

Chronisches Stadium: Vorliegen von mehr als vier der typischen Symptome über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten

Therapie
Wie bei anderen Abhängigkeitserkrankungen gilt auch bei der Internetsucht, dass in erster Linie die Ursachen, nicht die Symptome behandelt werden müssen. Andererseits muss in der Suchttherapie auch frühzeitig dem symptomatischen abhängigen Verhalten entgegengewirkt werden, um weitere Schädigungen durch die Sucht zu verhindern.

Wenn die Abhängigkeit noch beherrschbar scheint, könne man versuchen, die Internetnutzung z.B. durch einen Gebührenrechner zu begrenzen. Doch Selbsthilfe erfordert allgemein viel Selbstdisziplin.

Wenn aber bei Personen, die eine Neigung zu süchtigem Verhalten haben, zusätzlich persönliche Probleme hinzukommen, ist häufig professionelle Hilfe notwendig. Anders als in der Therapie stoffgebundener Süchte (z. B. Alkohol), in der die Abstinenz vom Suchtmittel das Ziel ist, wird dies bei der Internetsucht meist nicht angestrebt, weil für viele Menschen der Umgang mit dem Internet eine berufliche Notwendigkeit ist. Im Rahmen der Behandlung der Internetsucht entwickeln die Betroffenen deshalb in erster Linie Techniken für einen veränderten Umgang mit dem Internet. So kann es ratsam sein, zeitliche Grenzen für die Internetnutzung zu setzen oder bestimmte Internetseiten, die für die jeweilige Person besonders suchtfördernd sind, zu meiden. Ein wichtiger Therapiebestandteil ist auch die Entwicklung von Alternativen zum süchtigen Verhalten, so ist es z.B. hilfreich, alte Hobbys wiederaufzunehmen, die aufgrund der Internetsucht vernachlässigt wurden.

Oft sind es Angehörige, die der betroffenen Person mit Ablenkung und Gesprächen helfen. Diese sollten nicht mit Ablehnung reagieren, da dieses die Fluchttendenzen der Abhängigen verstärkt. Stattdessen sollten sie den Betroffenen ansprechen und mehr mit ihm unternehmen, auch wenn der Betroffene versucht, sich abzuschotten.

Verlauf
Ein Beispiel für den Verlauf einer Internetsucht ist der Fall einer 43-jährigen Hausfrau, den K. Young innerhalb ihrer Studien aufzeichnete.

Diese Frau führte demnach ein zufriedenes und ausgeglichenes Leben, ohne jegliche Anzeichen, suchtgefährdet zu sein. Als sie einen Heimcomputer bekam, hat sie in den ersten drei Monaten in zunehmendem Ausmaß Chatrooms frequentiert. Es sei zu einer Art Toleranzsteigerung gekommen, die Hausfrau habe Online-Zeiten von bis zu sechzig Stunden pro Woche erreicht. Sie habe sich bald auf einen bevorzugten Chat konzentriert, wo sie sich "etablierte" und eine Art Gemeinschaftsgefühl entwickelte. Sehr bald konnte sie - entgegen besserer Absicht - die Zeit der verbrachten Sessions nicht mehr kontrollieren. Diese hätten manchmal bis zu 14 Stunden angedauert. Wenn sie nicht online sein konnte, habe sie zunehmend unter depressiven Verstimmungen, Angstzuständen und Irritabilität gelitten. In der Folge begann sie, Verabredungen nicht mehr einzuhalten und ihre Freunde, ebenso wie ihr Familienleben zu vernachlässigen. Auch ging sie keinen sozialen Aktivitäten mehr nach, die sie früher gerne ausgeübt hatte.

Sie zeigte bzgl. ihrer Internetsucht ein mangelndes Problembewusstsein und sah sich mit gravierenden familiären Problemen und Vorwürfen konfrontiert. In der Folge kam es zu Entfremdung vom Ehemann und den Töchtern. Dies führte schließlich doch zu der Einsicht, dass sie sich nach dem Internet so süchtig fühlte, wie andere Menschen nach Alkohol. Sie konnte anschließend ihr Konsumverhalten eingrenzen, ohne therapeutische Hilfe beansprucht zu haben. Sie gab aber auch zu, einen völligen Verzicht nicht geschafft zu haben. Auch ihre durch die Internetsucht beeinträchtigte familiäre Situation konnte sie ohne Hilfe von außen nicht normalisieren.


Vorbeugen
Um der Entstehung einer Internetsucht vorzubeugen, sollten Nutzer des Internets ihren Umgang mit diesem Medium kritisch beobachten. Bei Anzeichen einer Suchtentwicklung wie z. B. zunehmende Zeit, die im Internet verbracht wird, oder Entzugssymptome, wenn man nicht online gehen kann, sollte die Internetnutzung eingeschränkt werden. Wenn dies allein nicht gelingt, empfiehlt es sich, frühzeitig professionelle Unterstützung zu suchen, um eine Chronifizierung des Suchtverhaltens zu vermeiden. Da zunehmend Jugendliche vom Problem der Internetsucht betroffen sind, ist es ratsam, dass Eltern das Internetnutzungsverhalten ihrer Kinder mit diesen besprechen und ggf. kontrollieren.

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Lache niemanden aus, der gerade drei Schritte rückwärts geht..... Er könnte grade Anlauf nehmen!


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