Wer süchtig ist, ist nicht mehr frei
Sucht bedeutet, abhängig zu sein – von Drogen, Spiel, Computer, Einkaufen, Essen. Wer abhängig ist, riskiert seine Gesundheit, die Persönlichkeit verändert sich. Langfristig wird man einsam und schließlich isoliert. Wer abhängig ist, steckt in einem Teufelskreis und braucht Hilfe, denn Abhängigkeit ist eine Krankheit. Sucht kann jeden treffen.
Der Teufelskreis: Sucht ist ein Prozess
Der Teufelskreis einer Sucht sieht fast immer so aus: Nach dem Konsum von Drogen oder Alkohol oder einer Einkaufstour erlebt der Betroffene, dass sich eine unbefriedigende oder unerträgliche Situation bzw. Stimmung bessert - scheinbar. Doch die Wirkung lässt nach, "Ernüchterung" macht sich breit. Nun ist der Wunsch nach Besserung größer als vorher, das Verlangen nach der Droge steigt von Mal zu Mal.
Suchtfakten
Auf dem ersten Platz aller Sucht verursachenden Stoffe steht der Alkohol: 9,3 Millionen Deutsche trinken übermäßig viel Alkohol; 1,6 Millionen gelten bereits als abhängig. Die Zahl ist deshalb so hoch, weil die Abhängigkeit sehr früh beginnt: Laut Drogenbericht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung trinken etwa 40 Prozent der 16- bis 25-Jährigen regelmäßig Alkohol. Jugendliche zwischen 20 und 25 Jahren trinken besonders viel, ein Fünftel von ihnen mehr als zehn Gramm reinen Alkohol pro Woche – das ist soviel wie drei Liter Bier.
Fast 17 Millionen Deutsche rauchen regelmäßig, 5,8 Millionen von ihnen brauchen über 20 Zigaretten täglich für ihre Sucht.
Nach Schätzungen der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren gibt es zurzeit ca. 1,5 Mio. Medikamentenabhängige in Deutschland. Wegen der hohen Dunkelziffer liegt die Zahl der Betroffenen wahrscheinlich wesentlich höher.
Kokain scheint in Europa zur Stimulansdroge Nummer eins zu werden. Das geht aus dem Drogenbericht der Europäischen Union hervor. Etwa neun Europäer haben schon einmal Kokain konsumiert, schätzt die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD). Allein im vergangenen Jahr waren es 3,5 Millionen Erwachsene. Davon sind 1,5 Millionen Dauerkonsumenten. Die meisten sind im Alter von 18 bis 34 Jahren.
Fachleute schätzen die Zahl behandlungsbedürftiger Spieler zwischen 80.000 und 140.000 in ganz Deutschland.
In Deutschland leiden mindestens 220.000 Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren an Magersucht (Anorexie) oder Ess-Brechsucht (Bulimie).
Nach Untersuchungen der Universität Stuttgart-Hohenheim sind fünf Prozent aller Erwachsenen "stark" und 20 Prozent "deutlich" Kaufsucht gefährdet.
Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen neun und dreizehn Prozent aller Online-Besucher das Internet zwanghaft nutzen. Die so genannten Internet-Junkies verbringen bis zu 60 Stunden in der Woche im Netz.
Sucht ist eine Krankheit
"Sucht", so definiert der Gesamtverband für Suchtkrankenhilfe, "kommt nicht von "suchen", sondern von "siech", also "krank". Sucht als ein schleichender Prozess ist nichts anderes als ein "Dahinsiechen". Niemand wird plötzlich süchtig, vielmehr entwickelt sich Abhängigkeit nach und nach. Meist fängt die Sucht harmlos an: ein zwei Bierchen jeden Abend, ein paar Zigaretten nur, nur noch diese eine Tablette. Zunächst werden die positiven Wirkungen einer Droge genutzt – Entspannung, locker sein, mal richtig durchschlafen, und für viele bleibt es tatsächlich harmlos. Bei manchen jedoch entstehen Gewohnheit und Missbrauch, bei einigen Sucht und Abhängigkeit. Fachleute sehen die Abhängigkeitskarriere so: erst Gebrauch, dann Missbrauch, schließlich Sucht.
Wann ist man süchtig?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet mit Sucht das unabweisbare Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand. Diesem Verlangen werden die Kräfte des Verstandes untergeordnet. Die WHO fordert, dass man suchtkranken Menschen weder eine Willens- noch eine Charakterschwäche unterstellt. Sucht ist eine Krankheit, die jeden treffen kann - eine oftmals chronische Krankheit, die aus dem Zusammenspiel biologischer und Umweltfaktoren verstanden werden kann. Sie erscheint meistens gleichzeitig und verknüpft mit anderen somatischen oder psychischen Störungen.
Laut WHO sind es diese vier Kriterien, die jemanden als süchtig einstufen:
-Es besteht ein unbezwingbares Verlangen, das Suchtmittel zu beschaffen
und einzunehmen.
-Es werden immer höhere Dosierungen benötigt.
-Es kommt zu seelischer und körperlicher Abhängigkeit.
-Es entsteht Schaden für Andere und die Gesellschaft.
Anzeichen für eine Sucht können körperliche und psychische Störungen sein:
-Schwitzen und Übelkeit,
-Schlafstörungen,
-Interessensverlust,
-Stimmungsschwankungen,
-Unruhe und Angst
-Gleichgültigkeit.
Abhängige verleugnen und verheimlichen ihre Sucht, andere beschönigen sie.
Was macht süchtig?
Zunächst einmal wird unterschieden zwischen stoffgebundener und stoffungebundener Abhängigkeit. Alkohol, Drogen, Medikamente sind Substanzen, die abhängig machen. Stoffungebunden sind Süchte wie Arbeits-, Kauf-, Spiel- oder Sexsucht. Die meisten Abhängigkeiten beginnen im Kopf: Die Kennzeichen der psychischen Abhängigkeit sind das unwiderstehliche Verlangen nach der Einnahme eines Suchtmittels, der Kontrollverlust und die Zentrierung des Denkens und Handelns auf das Suchtmittel. Der Übergang von der psychischen zur physischen, d.h. körperlichen Abhängigkeit ist fließend. Oft wird sie erst spät bemerkt. Wird die regelmäßige Suchtmittelzufuhr plötzlich unterbrochen (z. B. durch einen Krankenhausaufenthalt), kommt es bei einer körperlichen Abhängigkeit zu typischen Entzugssymptomen wie Unruhe, Tremor, Übelkeit und Erbrechen.
Sucht betrifft auch die Umgebung
Drogen beeinflussen nicht nur das Leben des Abhängigen, sondern ohne es zu wollen, sind nahestehende Personen wie Familienangehörige und engste Freunde davon betroffen. Angehörige sind im wahrsten Sinne des Wortes Mit-Leidende, denn sie müssen erfahren, wie der Suchtkranke sich langsam ruiniert. Wenn man von Sucht und Abhängigkeit spricht, so spielt der Begriff der Co-Abhängigkeit zwangsläufig eine wichtige Rolle. Besonders belastend für Familie und Freunde ist die Enttäuschung: meistens sind alle Versuche, den Abhängigen von seiner Sucht abzubringen, zum Scheitern verurteilt. Andere wiederum ignorieren die Abhängigkeit, helfen aus Scham, sie zu vertuschen und unterstützen gar den Patienten in seiner Sucht. Auch den Angehörigen kann dann - wie dem Süchtigen selbst - nur noch eine Beratung und Unterstützung von außen helfen.
Was kann man bei Abhängigkeit tun?
Eine ernüchternde Zahl vorweg: Eine anhaltende Abstinenz erreichen nur ein Drittel der Betroffenen. Der erste Schritt ist der schwierigste: sich einzugestehen, dass man abhängig ist.
Vier Schritte kennzeichnen eine Therapie:
-Motivation
-körperlicher Entzug
-Entwöhnung
-Nachbetreuung.
Der erste Weg kann über den Hausarzt zum Psychiater oder in eine Klinik führen. Wichtig in der Entwöhnungsphase ist die psychotherapeutische Betreuung: Selbstbewusstsein und Eigenverantwortung sollen gestärkt werden, um "nein" sagen zu können. Diese Phase dauert Wochen bis Monate. Erst danach beginnt die Rehabilitation im gewohnten Umfeld. Suchtberatungsstellen und Selbsthilfegruppen sind in dieser Phase oft jahrelang wichtige Begleiter.
Was zahlen die Krankenkassen?
Die Krankenkassen übernehmen z.B. die Kosten bei Alkohol-, Medikamenten-, Drogen- oder einer Mehrfachabhängigkeit. Bei den nicht-stoffgebundenen Abhängigkeitserkrankungen wie Glücksspiel- oder Arbeitssucht ist es schwieriger, eine angemessene Langzeitbehandlung finanziert zu bekommen.
Der Gesamtverband für Suchtkrankenhilfe erläutert weiter:
"Für Menschen mit Ess-Störungen sind die Krankenkassen zuständig, die Leistungsträger behandeln sie wie eine psychosomatische und nicht wie eine Suchterkrankung. Stationäre psychosomatische Behandlungen dauern allerdings meist nur wenige Wochen, was nicht immer ausreicht. Personen mit Ess-Störungen haben die Möglichkeit, eine ambulante Psychotherapie zu beantragen beziehungsweise an speziellen Angeboten in manchen Beratungsstellen teilzunehmen. Menschen, die von einer Glücksspielsucht betroffen sind, bekommen bei Bedarf von den Rentenversicherungsträgern eine Langzeitbehandlung in darauf spezialisierten Fachkliniken bezahlt, allerdings nur in Einzelfällen eine ambulante Maßnahme."
Ganz entscheidend bei jeglicher Form der Abhängigkeit ist Hilfe für die Betroffenen, denn der "Selbstentzug" gelingt so gut wie nie.
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