Frühsymptome der depressiven Episode
Oft gehen dem typischen Vollbild der Depression wochenlange, manchmal auch nur tagelange, in der Regel sehr unspezifische Frühsymptome voraus:
Dazu zählen Schlafstörungen, mit Einschlafstörungen, häufiges nächtliches Erwachen, gelegentlich auch ein Früherwachen oder sogar ein deutlich vermehrtes Schlafbedürfnis. Rasche Erschöpfbarkeit, das Gefühl der ständigen Müdigkeit und nichterholt aus dem Schlaf zu erwachen. Sexuelle Störungen in Form von nachlassendem sexuellen Interesse und Orgasmusprobleme sind häufig. Zunehmendes Desinteresse und Lustlosigkeit am Alltagsgeschehen. Gefühle von Langenweile oder Leere. Subdepressive Verstimmungen, der Verlust an Fröhlichkeit und ein geringeres Ansprechen auf erfreuliche Ereignisse wie Einladungen, Geburtstag, Festivitäten. Oft zeigen die Patienten eine gereizte, mißmutige Stimmungslage.
Diese Prodromalsyndrome können sowohl ohne direkten Anlaß auftreten, als auch im Zusammenhang mit sozialen Konflikten-. z.B. in der Partnerschaft, im beruflichen und familiären Bereich. Die persönliche Kompensationsfähigkeit nimmt ab. Die Konflikte können in diesen Lebensbereichen entstehen und in diesem Zusammenhang auftreten oder sich sekundär aus der subdepressiven Verstimmungen heraus entwickeln.
Patienten in der depressiven Episode sind deutlich herabgestimmt, tief traurig, es zeigt sich das "Gefühl der Gefühllosigkeit" oder aber im Vergleich zu gesunden Zeiten eine deutlich eingeschränkte Schwingungsfähigkeit.
Antriebsminderung
Das Interesse und die Freude an früheren liebgewonnenen Tätigkeiten geht verloren. Entschlüsse werden nicht mehr gefaßt und entsprechend zu Ende verfolgt. Alltägliche Dinge in Partnerschaft, Familie und Beruf werden vernachlässigt. Dazu können auch die Nahrungsaufnahme oder Hygiene zählen. Bei der ausgeprägten Antriebshemmung hat der Patient das Gefühl sich zu Allem zwingen und aufraffen zu müssen, ein Zeichen der melancholischen Depression.
Die Antworten und Aussagen der Patient/innen wirken inhaltsleer.
Denkhemmung
Die Konzentrationsfähigkeit ist eingeschränkt, dadurch ist sekundär auch die Merkfähigkeit gemindert. Die Auffassungsgabe erscheint verlangsamt und erschwert. Oft sieht man im Rahmen der Einengung des Denkens, daß erhebliche Schuld- und Insuffizienzgefühle beim Patienten auftreten, er fühlt sich für allen verantwortlich, wertlos, häßlich, als Versager, dumm. Aus diesen Insuffizienzgefühlen die der Patient wahrnimmt kann sich ein suizidales Syndrom entwickeln.
Oft kommen sogenannte
hypochondrische Befürchtungen hinzu, der Patient glaubt, er könne an Krebs oder an einer anderer Krankheit zugrunde gehen.
Die Zukunftsperspektive wird sowohl in familiärer als auch in beruflicher Hinsicht negativ und pessimistisch eingeschätzt. Oft kommen Verarmungsideen bis zum Verarmungswahn hinzu. Schmerzlich erlebte Gefühle, z.B. sich im Leben nicht mehr verwirklichen zu können.. Midlife-Krisis, keine Freude mehr zu haben und keinen Sinn mehr im Leben zu entdecken, führen zur zunehmenden emotionalen und sozialen Isolation.
Appetitstörungen
Meist ist der Appetit vermindert und führt zu Gewichtsabnahme. Es gibt aber auch bei der Sonderform der atypischen Depression oder saisonalen Depression eine absolute Lust auf Süßigkeiten, sogenanntes Carbohydrate craving, die Patienten verspüren Heißhunger auf Schokolade und Süßigkeiten. Typischerweise kommt es zu nächtlichen Freßattacken.
Vital-depressives Syndrom
Die Patienten klagen über lokalisierte Schmerzen.. vorallem im Gesichts, Bauch- oder Rückenbereich (teilweise bizarre Schilderungen Zoästhesien Grad I und II oder über ein totales Daniederliegen der Leibgefühle und generalisierte Störung der Vitalität).
Schmerzzustände
können entweder als Frühsymptom eingestuft werden oder als isoliertes Symptom vorkommen, vorallem bei der Melancholie. Bei der sogenannten larvierten Depression stehen Schmerzen ganz im Vordergrund und alle anderen psychischen Symptome verstecken sich hinter der Schmerzsymptomatik.
Suizidalität
Die Patienten denken an den Tod, wünschen den Tod herbei. Ihr Todessehnsucht ist zu spüren, sie planen den Suizid aktiv oder sehnen sich nach Unfällen und quasi schicksalshaften Lösungen. Circa 10 bis 20% der Patienten begehen einen Suizid. Als Querverweis dürfen wir hier auf das Nürnbergerbündnis gegen Depressionen unter
www.kompetenznetz-depression.de unter der Leitung von Herrn Prof.Ulrich Hegern verweisen, Nußbaumstr. 7 in 80336 München.
Tagesschwankungen
Vorallem bei der Melancholie, in der Regel ein Morgentief und eine abendliche Besserung.
Agitierte Depression
Die Patienten empfinden oft innere Unruhe, meist in der Brust, ein Getriebensein, es treten Angst- und Panikstörungen auf entweder als diffuse unbestimmte Ängste im Sinne von Sorgen oder als Panikattacken.
Als Folge der erlebten Ich-Insuffizienz in der Depression, können soziale Phobien auftreten.
Saisonale Depression
Depressive Episoden können zu jeder Zeit des Jahres auftreten
Winterdepression
Patienten mit einer Winterdepression erkranken in der lichtarmen Jahreszeit. Die frühen Vorzeichen treten meist im September bis Oktober auf. Das Vollbild der depressiven Episode wird meist im Januar - Februar gesehen. Dieser Form der Depression, die psychopathologisch charakterisiert ist durch den Lichtmangel und eine veränderte Melatoninproduktion kann durch Lichttherapie wesentlich gebessert werden. Häufig beklagen die Patienten Niedergeschlagenheit, Lethargie, Müdigkeit, eher ein vermehrtes Schlafbedürfnis, Heißhunger auf Süßigkeiten.
Bedeutsam ist die Abgrenzung der depressiven Episode von der Trauerreaktionen bei Trennung oder beim Tod einer nahestehenden Person, von den Anpassungsstörungen.
Bei diesen depressiven Reaktionen ist eine medikamentöse Therapie selten indiziert. Wenn circa nach 2 - 8 Wochen die depressive Symptomatik nicht abklingt, muß davon ausgegangen werden, daß eine depressive Episode ausgelöst wurde und entsprechend medikamentös behandelt.
Differentialdiagnose
Organische Grunderkrankungen
Es ist obligat beim Auftreten von depressiven Verstimmungen den behandelnden Arzt Ihres Vertrauens aufzusuchen, denn auch wenn im Vordergrund psychische Beschwerden stehen, muß eine organische Ursache ausgeschlossen worden, z.B. Anämie, Hypothyreose, internistische oder neurologische Grunderkrankungen.
Viele organische Erkrankungen können das Bild einer depressiven Episode als Frühsymptom zeigen.
Auch Rauschmittel bzw. chronische Intoxikationen können depressive Verstimmungsbilder hervorrufen, z.B. bei Medikamenten-, Substanzen- oder Alkoholmißbrauch.
Bei Erkrankungen das schizophrenen Formenkreis können oft Monate oder Jahre zuvor depressive Episoden oder auch gleichzeitig auftreten.
Angststörungen
Alle Angstformen können bei depressiven Erkrankungen vorhanden sein.
Eßstörungen
Sowohl bei der Anorexia nervosa als auch bei der Bulimie treten häufig depressive Episoden im Krankheitsverlauf auf.
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis Frauen/Männer: 2 : 1 Bei Kindern und in der Jugendzeit: gleiches Geschlechterverhältnis.
Häufigkeit
Lebenszeitprevalenz: 5 - 12 % aller Männer, und 10 - 25% aller Frauen erleben zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens eine depressive Episode.
Ätiologie und Pathophysiologie
Die depressive Episode und Ihre verschiedenen Subklassifikationen stellen ein multifaktorielles Störungsbild dar, dazu Zählen genetische, psychosoziale und neurobiologische Faktoren.
Neurobiologische Faktoren
Sogenanntes "Kindley-Modell".
Neurobiologisch können als Folge von stark belastenden Lebensereignissen, und einer veränderte Ausschüttung von des Streßhormons Cortisol, veränderte Neurotransmissionen in Hirn resultieren. Wenn die Cortisolausschüttung begonnen hat, nimmt man an, "daß auch ohne äußeren Anlaß weiterhin Cortisol ausgeschüttet wird" und zu einen veränderten Gleichgewicht der Neurotransmitter führt.
Ein individueller sogenannter genetischer Faktor kann zur Überempfindlichkeit gegenüber psychosozialen Belastungen beitragen. Die Neurotransmitter Systeme des Hirns antworten vermutlich mit einer veränderten Neurotransmission in der depressiven Episode, sogenannte biologische Bahnung wird diskutiert.
Um diese Dysbalance zu unterbrechen werden antidepressive Medikamente, die Ihr Arzt entsprechend der Gesamtkonstellation Ihre depressiven Episode auswählt, verordnet.
Eine zusätzliche Psychotherapie ambulant oder stationär ist indiziert.
Frau Kaiser, die die Psychotherapie Koordinationsstelle der Kassenärztlichen Vereinigung leitetstellt Ihnen gerne aktuelle Therapeutenlisten zur Verfügung. Telefon: 0821 / 3256 - 164.
Lichttherapie
Indikation bei der Winterdepression, Hierbei wird dem Patienten täglich, über 2 bis 4 Stunden einer Lichtquelle von mindestens 2500 Lux angeboten. Die Lichtwirkung ist am ausgeprägtesten in den Behandlungsstunden am Morgen.
Therapieansätze:
Antidepressive-Medikamentöse Therapie
Psychotherapie: ambulant und/oder stationär
Schlafentzug: 1 bis 2 Schlafentzüge pro Woche
Adjuvante Lichttherapie bei der Winterdepression.
Wann ist das Suizidrisiko erhöht?
Erhöht ist der suizidale Risiko vorallem beim Verlust einer wichtigen Bezugsperson, eskalierenden Dauerkonflikten und/oder chron. Überforderung, beim Vorherrschen von Einsamkeit und dem Gefühl der Verlassenheit.
Es imponiert psychopathologisch Depressivität, Interessenverlust, häufige Selbstvorwürfe. Das Gefühl der völligen Hoffnungslosigkeit und Perspektivlosigkeit herrscht vor. Es zeigt sich Einengung im Verhalten, oftmals tritt synchron ein Suchtverhalten auf.
Vorallem bei der Erstdiagnose von körperlichen Erkrankungen und/öder auch depressiven Erkrankungen, Schizophrenes, Abhängigkeitsstörungen, Angsterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen oder schweren chronischen körperlichen Grunderkrankungen besteht ein erhöhtes Selbsttötungsrisiko.
Als suizidspezifisch kann man folgende Punkte sehen:
Ein Sterbewunsch drängt sich auf, da der Patient seine momentane Situation als auswegslos empfindet. Er fühlt sich sowohl in den Gedanken als auch in der Zukunftsperspektive eingeengt. Der Patient macht Pläne, Vorbereitungshandlungen, die Suizidideen bzw. Gedanken konkretisieren sich, drängen sich immer mehr auf.
In der Anamneseerhebung sollte nach evtl. früheren Suizidversuchen auch im näheren Umfeld des Patienten gefragt werden.
Die "unheimliche Ruhe" nach dem vorhergehenden Thematisieren von Suizidgedanken oder einer deutlichen Diskrepanz zwischen der Freund- und der Eigenanamnese sollten extrem hellhörig machen.
Selbstmedikation
Wir raten dringlichst von der Eigenmedikation ab.
Durch Selbstmedikation wird eine klare Diagnostik verzögert und unter Umständen organische Grunderkrankungen nicht erkannt.
Sie sollten in jedem Fall ärztliche Hilfe suchen und eine entsprechende professionelle therapeutische Intervention anstreben.