Schmetterlingsfrauen
- ein Selbsthilfebuch für Frauen mit multipler Persönlichkeit
- das erste Selbsthilfebuch für Frauen mit der Diagnose MPS, Therapeutinnen und Therapeuten und für Menschen, die sich aus persönlichen oder beruflichen Gründen mit diesem Thema auseinander setzen wollen.
- Schwerpunkte: Akzeptanz der inneren Persönlichkeiten, Teambildung, Abbau destruktiver Verhaltensmuster durch die Förderung der positiven Anteile und Stärken im System, Erschaffung von sicheren inneren und äußeren Orten, Aufbau einer positiven Beziehung zu den inneren Kindern, Ermunterung zu liebevollem Umgang miteinander.
- Außerdem: die Diagnose MPS und ihre Ursachen: schwerer körperlicher und seelischer Missbrauch in früher Kindheit; Reaktionen des Umfeldes; Situation der Mütter von Außenkindern
- Im Anhang: Informationen für Betroffene, unterstützende Personen aus dem Umfeld und Therapeutinnen und Therapeuten
Inhaltsverzeichnis:
- Ich bin viele
- Who is who? Einander kennen lernen
- Sich aufeinander einlassen und ein Team werden
- Innenpersonen mit destruktiven Verhaltensweisen
- Mit Männern und Kindern in einem Frauenkörper
- Selbstwertgefühl
- Jetzt leben wir
- Ursachen und Auswirkungen
- Therapie
- Anhang: Adressen, Informationen für FreundInnen, PartnerInnen, Angehörige und TherapeutInnen; Juristische Situation
Erschienen 1999 im Verlag Frauenoffensive München, 280 Seiten, 19,90€ - ISBN - Nr. 3-88104-313-6
Leseprobe: „SCHMETTERLINGSFRAUEN“
Kapitel 1: ICH BIN VIELE
Fachleute sprechen von MPS, wenn folgende Symptome auftreten: Es gibt zwei oder mehr getrennte Identitäten oder Persönlichkeitszustände mit jeweils eigenen festen Verhaltensw-, Beziehungs- und Wahrnehmungsmustern, mindestens zwei dieser Persönlichkeitszustände kontrollieren abwechselnd das Verhalten der Person. Zeitverluste, die nicht mit normaler Vergesslichkeit zu erklären sind und das Nicht- erinnern persönlicher Informationen lassen sich weder auf eine organische Erkrankung noch auf die Auswirkung bestimmter Substanzen wie z.B. Drogen zurückführen.
Frühe schwere chronische Traumatisierungen sind die Ursache von MPS. Ursprünglich entwickelte die kindliche Seele dissoziative Störungen, um unerträgliche Gewalttaten zu überleben.
Soviel also aus der Feder der Fachleute. Doch was bedeutet das nun konkret für uns/ für euch? Welche positiven und negativen Auswirkungen hat das auf das Leben oder Überleben, auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft? In welchen Bereichen ist unser Leben „krank“ oder sogar entsetzlich und unerträglich, und an welchen Punkten können wir ansetzen, um zu heilen und schließlich ein gesundes Miteinander zu erreichen? Welche Wege können wir beschreiten? Was ist für uns ein gesundes Miteinander?
Bin ich viele?
Bin ich viele? Oder bilde ich mir das alles nur ein? Ich bin ja gar nicht so wie die Frau in „Aufschrei“. Und trotzdem ist da dieser Zeitverlust, sind da Stimmen in meinem Kopf, habe ich das Gefühl, dass die Entscheidungen nicht immer von mir gefällt werden, sondern dass in diesem Körper noch andere leben und agieren und sich ganz tief verstecken, dass da kleine Kinder sind, die Angst haben und Schreckliches erlebt haben, dass da verzweifelt und traurige und fröhliche Stimmungen in einem solchen Extrem wechseln und eigentlich mehr sind als bloß Stimmungen. Und wenn ich die Matrioschka lese, finde ich mich in den Aussagen der anderen wieder, habe das seltsame Gefühl, dass es mir so vertraut ist, dass es bei mir auch so ist. Und es würde so vieles erklären...
Lasst euch nicht in eine Schublade stecken! So, wie jeder Mensch seine ganz persönlichen Eigenarten hat, so ist auch jedes System ganz einzigartig.
Nach den anfänglichen Diffarmierungen (die der „Missbrauch mit dem Missbrauch“ – Welle sehr ähnlich sind) gegen TherapeutInnen und Frauen mit MPS hat sich in Deutschland einiges getan (wenn auch im Vergleich zu anderen Ländern wie USA und Holland viel zu wenig). Es gibt TherapeutInnen, die sich auf diesem gebiet qualifiziert haben oder weiterbilden, und Kliniken, deren Schwerpunkt die Behandlung von Frauen mit MPS ist.
Für die Diagnosestellung ist es wichtig, sich an jemanden zu wenden, die/ der sich auf dem Gebiet auskennt oder den Verdacht ernst nimmt, auf keinen Fall aber an jemanden, die/ der die Existenz von MPS bestreitet oder als „Hirngespinst sich wichtigmachender TherapeutInnen“ abtut.
Du bist nicht verrückt, sondern viele.
Aufgewachsen bin ich mit dem Satz: Du bist verrückt! Und es erschien mir so, als ob sie alle mit dieser Behauptung recht hätten. Schließlich waren da schon als Kind Stimmen in meinem Kopf, ein dumpfes Dröhnen und dieses Zerfließen meiner Umgebung, wenn der Raum um mich verschwand und ich in einer Grauzone dahinschwebte, in der nichts eine Bedeutung hatte, in der ich aber auch Außenzeit verlor, denn wenn ich wieder raus musste, in diese Existenz außerhalb der Grauzone, spürte ich immer, dass es trotzdem immer irgendwie weitergegangen war, ohne mein Zutun, dass dieser Körper andere Kleidung trug oder gewaschen oder gefüttert war...
Ich fühlte mich immer merkwürdig, anders als die anderen in meiner Umgebung, und das war es wohl auch, was mich so sehr isolierte da draußen von den anderen Menschen. Manchmal drangen Fetzen von Erinnerungen zu mir durch, di4e nicht die meinen zu sein schienen und trotzdem Teil dieses Lebens sein mussten.
Du bist verrückt! Diesen Satz hatte ich inzwischen in mich eingesogen, wie die schmutzige Luft beim alltäglichen Atemzug in einer verpesteten Umgebung – und so hatte er mich Stück für Stück vergiftet, trug ich die Giftstoffe in mir und war davon überzeugt, dass sie mich irgendwann holen und einsperren würden, dass sich dann auch ihre letzte Vorrausschau auf mein zukünftiges Leben erfüllen würde. Diese Angst, mit der chemischen Keule sediert oder in einer Beruhigungszelle auf einem Krankenhausbett fixiert zu werden, saß so tief, dass sie lange unser ständiger Begleiter war, taucht sogar jetzt noch manchmal auf, wenn jemand in uns Einbrüche hat – obwohl ich jetzt seit fünf Jahren eine Erklärung für das alles habe und es sogar schon Momente gibt, in denn ich mich traue, der Therapeutin zu glauben, wenn sie sagt: „Du bist nicht verrückt, sondern viele. Jetzt, wo wir das wissen, haben wir richtig gute Ansatzpunkte für eure Heilung.“
...
Wo steht ihr jetzt? Ist in euch eine Ahnung, dass ihr Viele seid, aber ihr seid noch auf der Suche nach einer Erklärung für euer leben heute und in der Vergangenheit? Habt ihr gerade eure Diagnose erfahren? Oder lebt ihr schon länger mit diesem Wissen?
Es ist uns nicht bekannt, an welchem Punkt eurer Reise ihr steht, wenn ihr jetzt beginnt, mit diesem Buch zu arbeiten.
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Einer der ersten Schritte auf dem Weg unserer Heilung ist das Erkennen der Tatsache: „Ich bin viele!“ Sich anzuschauen, wie euer Leben jetzt aussieht, und so zu erkennen, welche Bereiche eures Lebens Heilung nötig haben...