Verfasst am: 13.01.2006, 18:25 Titel: Angst und Panikstörung
Angst als natürlicher Schutzmechanismus
Angst haben ist lebensnotwendig - auch heute.
Jedes Lebewesen verfügt über natürliche Schutzmechanismen. Das gilt auch für den Menschen. Eines dieser Schutzmechanismen ist die Angst. Jeder Mensch lebt mit Angstgefühlen, denn sie gehören zu ihm, wie sein Fingerabdruck. Die Reaktion "Angst" geht auf die Frühzeit unserer Entwicklungsgeschichte zurück. Damals war es notwendig, auf drohende Gefahren oder Angriffe blitzschnell zu reagieren, sei es in Form von Flucht oder Angriff. Heute sind solche Reaktionen teilweise auch erforderlich, z. B. im Straßenverkehr, wenn ein Fußgänger vor einem plötzlich auftauchenden Auto zurückspringt, oder vor Schreck erstarrt. Dann führen die körperlichen Abläufe zu einer heftigen Reaktion. Der Anspannungszustand bau sich aber genau so schnell ab, wie er sich aufbaut.
Angst kann ihre normale Schutzfunktion verlieren.
Der normale Schutzmechanismus Angst kann aber auch zu einem Krankheitsbild werden, wenn die Angst sich zu einer Bedrohung oder Belastung entwickelt, die der Mensch nicht mehr kontrollieren kann. Diese Angst kann die Lebensqualität des Betroffenen erheblich einschränken und möglicherweise ein normales Leben unmöglich machen.
Krankheit als Schutz.
Jede natürliche Form der Angst wird von Symptomen begleitet, die sowohl körperliche, als auch seelische Folgen nach sich ziehen. Diese Folgen sind natürliche Mechanismen, die zur Flucht vor einer angstbesetzten Situation herausfordern. Sie dienen als Schutz. So kann es möglich sei dass ein Schüler aus Angst vor einer Klassenarbeit krank wird. Er versucht, vor der Situation zu fliehen. Die Krankheit, die er real empfindet, dient als Schutz vor Überlastung.
Ohnmacht verstärkt die Angst. Wird Angst aber zu einer krankhaften Erscheinungsform, hilft dieser Fluchtmechanismus nicht. Das liegt vor allem daran, dass diese Angst von außen häufig unreal und nicht objektiv begründbar erscheint. Häufig sieht das auch der Betroffene so, kann aber nichts dagegen tun. Deshalb sollte unkontrollierbare Angst unbedingt ärztlich behandelt werden
Psychische Symptome der Angst
Dauerhafte Angst kann einen Menschen stark verändern.
Angstzustände werden häufig nicht als solche erkannt. Oft sprechen Patienten von einem Gefühl des Unbehagens oder von Sorgen. Sie fühlen sich bedrückt, verunsichert und allgemein bedroht, ohne dafür einen Grund angeben zu können.
Da sich dieses Unbehagen auf das gesamte Lebensgefühl auswirkt, treten häufig neben der Angst depressive Verstimmungen, Pessimismus, Melancholie und Niedergeschlagenheit auf.
Durch Angst erzeugte innere Anspannung führt zu dauernder Unruhe, die begleitet werden kann durch schlechten Schlaf, häufiges Aufwachen und Angstträume. Verständlicherweise sind diese Menschen häufig gereizt. Sie reagieren oft übersteigert. Die Reaktionen können z. B. sein Wut, Weinkrämpfe oder auch scheinbar unerklärliche Zornausbrüche.
Angst kann zur "Erstarrung" führen. Die Unfähigkeit zu einer sinnvollen Reaktion wie z. B. eine Flucht vor der Angst, ist am ehesten noch mit dem Totstellreflex aus der Tierwelt vergleichbar.
Da sich das Wohlbefinden eines Menschen auf seine geistige Leistung auswirkt, beeinträchtigt Angst auch häufig die geistige Leistungsfähigkeit. Vor allem die Aufmerksamkeit und die Konzentration können gestört sein.
Bei sehr schweren Angstzuständen kann es zu Gefühlen der völligen Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung kommen.
Körperliche Symptome der Angst
Angst erzeugt ein Gefühl der inneren Anspannung. Diese Anspannung wird auf die Muskulatur übertragen. Es kann zu chronischen und schmerzhaften Muskelverspannungen kommen.
Durch eine Überreizung des Sympathikus, eines Nervenstranges im vegetativen Nervensystem, der für die Anregung des Herzkreislaufsystems zuständig ist, kommt es zu Zittern und Angstschweißbildung.
Subjektive Empfindungsstörungen am Herzen, wie Beklemmungsgefühle, Schmerzen und Herzrhythmusstörungen, beeinträchtigen den gesamten Kreislauf.
Möglich ist eine Verengung der Arterien, wodurch es zu einem erhöhten Blutdruck kommt. Eine umgekehrte Reaktion mit zu niedrigem Blutdruck kommt ebenfalls vor. Dadurch werden Ohnmachtsanfälle, Schwindel, Erröten oder ein zu blasses Gesicht als Folge der Angst erklärbar.
Angst kann ebenfalls nachhaltige Wirkungen auf den Magen-Darm-Trakt haben. Es können Koliken, aber auch Durchfall und der Verlust über die Muskulatur der Blase als mögliche Folgen der Angst auftreten.
Diese Folgen können zu dauerhaften Schäden führen. Zusätzlich können u.a. eine vermehrte hektische Atmung, asthmaartige Atemnot, anfallsartige Kopfschmerzen und Sehstörungen als Symptome der Angst eintreten
Reaktionsketten des Organismus bei Angst
Angst und Stress sind körperlich dasselbe.
Viele Situationen können Angst- und Stressreaktionen auslösen. Körperliche Stresssituationen sind z. B. Verletzungen, Operationen, Verbrennungen, Kälte, Schmerzen, Sauerstoffmangel, niedriger Blutzucker. Psychische Stressreaktionen sind u.a. Ärger, Angst, Leistungsdruck, Freude.
Die beiden Reaktionsketten laufen zur gleichen Zeit ab, die eine sekundenschnell, die andere langsamer. Der Körper unterscheidet nicht, ob es sich um positiven Stress (Eustress), z. B. Freude, oder negativen Stress (Dysstress), z. B. Schmerzen oder Angst handelt. Die Reaktionskette des Organismus ist immer dieselbe.
Sie gliedert sich in zwei gleichzeitig verlaufende Reaktionen:
Der Hypothalamus reagiert auf stress- und angstauslösende Situationen mit der Ausschüttung von CRH (Corticotropin- Releasinghormon). Das Hormon CRH stimuliert die Hypophyse zur Ausschüttung von ACTH (Adrenocorticotropes Hormon). Den Regelkreis finden Sie hier. ACTH wiederum regt die Nebennierenrinde zur Ausschüttung von Glukokortikoiden an. Die bekanntesten Glukokoritkoide sind Kortisol und Kortison. Diese wirken regulierend auf den Fett-, Kohlenhydrat- und Eiweißstoffwechsel.
In der zweiten Reaktionskette wird über den Nervenstrang des Sympathikus das Nebennierenmark aktiviert. Das schüttet dann innerhalb von Sekunden eine Mischung von 80 Prozent Adrenalin und 20 Prozent Noradrenalin aus.
Sekundenschnelle Reaktion bei Angst durch Nervenbotenstoffe.
Adrenalin und Noradrenalin gehören zu den Katecholaminen und sind Nervenbotenstoffe (Neurotransmitter), die auf den Sympathikus (Teil des vegetativen Nervensystems) erregend wirken. Sie beschleunigen kurzfristig die Energiebereitstellung. Das zeigt sich in einer beschleunigten Herztätigkeit, Erhöhung des Blutdrucks, Freisetzung von Glukose und verstärkten Durchblutung der Muskulatur. Normalerweise werden Adrenalin und Noradrenalin fortlaufend in kleinen Mengen in das Blut abgegeben. In Stress- und Angstsituationen allerdings kommt es zu einer hochdosierten Ausschüttung. Die wichtigste Aufgabe der in einer Alarmsituation freigesetzten Hormone Adrenalin und Noradrenalin besteht darin, gespeicherte chemische Energie wie Fett oder Glykogen zu mobilisieren und die Glukoseaufnahme in die Körperzellen zu unterstützen, um der vermehrten Muskeltätigkeit ausreichend Energie zur Verfügung zu stellen. Denkvorgänge werden unterdrückt bzw. blockiert. Das ist der Grund, warum es in Prüfungssituationen bei einigen Menschen zu einem Wissensloch kommen kann, bei dem auch sicheres Wissen plötzlich wie weggeblasen ist.
Sinkt der Erregungspegel nicht mehr ab, so können schon mittlere und leichte Impulse eine Angstreaktion auslösen, die die Angstschwelle überschreitet.
Die zweite Reaktionskette wirkt kurzfristig. Bei langfristigem Stress und Angst überwiegt die erste Reaktionskette. Normalerweise baut sich eine Angstreaktion schnell auf und auch schnell wieder ab. Nicht abgebaute Angst wirkt lange nach und der Körper kann nicht zu seinem normalen Gleichgewicht zurück finden. Im Gegenteil: Ist der allgemeine Erregungszustand dauerhaft erhöht, so können Stress- und Angstsituationen, die früher die "Angstschwelle" nicht erreichten, jetzt zu einer heftigen Angstreaktion führen, die weit über der "Angstschwelle" liegt. Dieser Mechanismus wird in der nachfolgenden Grafik verdeutlicht.
Langfristige Erhöhungen der allgemeinen Erregung zerstören das Gleichgewicht des Körpers.
Menschen, deren allgemeine Erregungslage durch nicht abgebaute Angst dauerhaft höher liegt, können folgende Symptome zeigen:
-Der Blutdruck ist hoch,
-der Puls ist schnell,
-die Muskeln sind verkrampft,
-die Magensäurebildung ist hoch,
-die Fortpflanzungsorgane arbeiten vermindert,
-die Verdauungsorgane sind schlecht durchblutet.
Das kann nachhaltige Wirkungen auf die Gesundheit haben, z. B. Spannungskopfschmerz, Schlafstörungen, Infektanfälligkeit, Lern- und Konzentrationsstörungen, Depressionen, Ruhelosigkeit, Reizbarkeit, Muskelverspannungen, Verstopfung, sexuelle Funktionsstörungen.