Was ist Traumatherapie
Traumatherapie
Zum Verlauf psychotherapeutischer Behandlungen von traumabedingten Störungen
Von Dipl.-Psych. Alexandra Marland
Einleitung
Psychische Reaktionen auf traumatische Erlebnisse können längere Zeit, d.h. Monate oder gar Jahre, andauern (siehe: Marland A (2003) Psychisches Trauma. Der „Riss“ im Seelenleben, seine Folgen, seine Heilung, IPSIS). Dies ist vor allem dann zu erwarten, wenn besonders schwerwiegende körperliche oder seelische Verletzungen erlitten wurden. Als charakteristische Ereignisse bzw. Bestandteile traumatischer Erfahrungen, die gehäuft negative Langzeitfolgen nach sich ziehen, gelten:
Gefahr für Leib und Leben oder subjektiv erlebte Lebensbedrohung
Schwere körperliche Verletzungen
Absichtsvoll verletzt oder geschädigt worden zu sein
Konfrontation mit entstellten oder verstümmelten menschlichen Körpern
Plötzlicher oder gewaltsamer Tod einer geliebten Person
Zusehen oder davon erfahren, dass einer nahestehenden Person Gewalt angetan wurde
Einem Giftstoff oder Infekt ausgesetzt sein bzw. hiervon erfahren
Tod oder schwere Verletzung eines anderen Menschen verursacht zu haben
Statt eines allmählichen Überganges in die sog. Erholungsphase, können insbesondere nach Erlebnissen dieser Art die Symptome unverändert fortbestehen oder sich sogar noch verstärken. Wenn also Nachhallerinnerungen und Alpträume, Ängste vor allem, was an das Ereignis erinnert und die innere Angespanntheit und Alarmbereitschaft länger als vier Wochen andauern, dann ist von einer „Posttraumatischen Belastungsstörung“ (PTBS, F 43.1 nach ICD-10) auszugehen. Um schließlich den natürlichen Selbstheilungsprozess wieder in Gang zu bekommen und seinen Verlauf zu unterstützen, ist hier den Betroffenen dringend anzuraten, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Viele Traumatisierte schrecken jedoch vor dem Weg zu einem Therapeuten zurück, da sie Angst davor haben, erneut über die schrecklichen Ereignisse reden und sich mit ihnen auseinander zusetzen zu müssen. Zudem befürchten viele, dass sie ihren Alltag während einer Therapie überhaupt nicht mehr meistern können. Auch die Sorge, dass sich eine Psychotherapie über einen sehr langen Zeitraum hinziehen könnte, ist für einige Betroffene Grund genug, gar nicht erst damit zu beginnen. Über die Darstellung einer bewährten Traumatherapie nach Luise Reddemann und Ulrich Sachse werden daher Befürchtungen dieser Art zu entkräften versucht. Es werden die drei Phasen dieser „Traumazentrierten imaginativen Therapie“ aufgezeigt, die in ähnlicher Weise auch bei anderen Traumatherapien durchlaufen werden. Dies gilt z.B. für die von Prof. Dr. G. Fischer entwickelte „Mehrdimensionale Psychodynamische Trauma-Therapie (MPTT)“, die als Kurzzeittherapie (ca. 10 Behandlungsstunden) besonders gut für einmalige traumatische Erlebnisse im Erwachsenenalter geeignet ist.
Traumazentrierte imaginative Therapie (nach Reddemann und Sachse)
Diese Therapie wird vor allem bei komplexen Traumatisierungen, wie z.B. sexueller Missbrauch in der Kindheit, angewendet. Obwohl die hiervon Betroffenen nicht nur Frauen sind, wird zur besseren Lesbarkeit im Folgenden nur die weibliche Form von Patient verwendet.
Grundlagen
Die traumazentrierte imaginative Therapie versteht sich als ein integratives und ressourcenorientiertes Verfahren. Integrativ bedeutet, dass vor einem psychoanalytischen Verstehenshintergrund verschiedene Interventionstechniken miteinander verbunden werden, die anderen therapeutischen Richtungen entstammen. Diese Interventionstechniken werden so eingesetzt, dass sie den speziellen Bedürfnissen Traumatisierter gerecht werden. Unter ressourcenorientiert ist zu verstehen, dass Kraftquellen und innere Stärken der Patientinnen aufgespürt werden, die den therapeutischen Heilungsprozess unterstützen können.
Grundlegend für die hier vorgestellte Traumatherapie ist - wie der Name schon sagt - das Mittel der Imagination, d.h. eine Arbeit mit der eigenen Phantasie und Vorstellungskraft. Imaginationstechniken werden in allen drei Phasen dieser Traumatherapie eingesetzt und hier im Folgenden noch beispielhaft vorgestellt. Grundsätzlich wird das Mittel der Imagination verwendet, um zu verhindern, dass wie bei der Psychoanalyse Konflikte oder schmerzhafte Erinnerungen in der aktuellen Beziehung zum Therapeuten neu aufgelegt werden (Reinszenierungen). Stattdessen wird ein imaginärer Raum errichtet, der sich gleichzeitig außen und im Innern der Patientin und Therapeut befindet. Somit begegnet dann auch die erwachsene Patientin von heute ihrem „inneren Kind“ von damals auf einer „inneren Bühne“, ohne selbst wieder ganz dieses Kind von damals zu werden, also ohne, wie bei der Psychoanalyse gewünscht, auf diese Entwicklungsstufe zurückzufallen bzw. zu regredieren.
Ein zweiter wichtiger Grundsatz in der Traumatherapie ist, dass alle therapeutischen Interventionen zu vermeiden sind, die erneut Stress verursachen und Gefühle wie Angst und Hilflosigkeit auslösen können. Für die Beziehungsgestaltung zwischen Therapeut und Patientin bedeutet das, dass die Patientin jederzeit die Kontrolle über den therapeutischen Prozess behalten soll. Hierfür wird sie über die einzelnen therapeutischen Schritte und die Wirkungsweise von verschiedenen Imaginationstechniken aufgeklärt. Außerdem wird das therapeutische Vorgehen ganz auf die jeweils aktuellen Bedürfnisse der Patientin zugeschnitten. Letztlich entscheidet somit die Patientin, wann für sie der richtige Zeitpunkt ist, die traumatische Erfahrung zu bearbeiten.
Erstkontakt
Im Erstkontakt geht es darum, zu erkunden, wie stabil die Patientin ist. Hierzu wird den Fragen nachgegangen, welche Ressourcen die Patientin hat, also aus welchen Quellen Kraft und Freude geschöpft werden können und wie ihr soziales Netz beschaffen ist. Jede Coping-Strategie („Umgangs“-Strategie), die eine Patientin entwickelt hat, wird als sinnvoll und notwendig gewürdigt. So können z.B. Essstörungen ein Versuch sein, mit den Ekelgefühlen, die dem sexuellen Missbrauch entstammen, besser fertig zu werden. Die traumatischen Erfahrungen selbst werden bei diesem ersten Kontakt mit großer Vorsicht behandelt. Wenn eine Patientin von sich aus über ihre Traumatisierungen reden möchte, dann wird ihr dazu geraten, dies nur bei gleichzeitiger Distanzierung von den damit verbundenen schmerzhaften Gefühlen zu tun. Dies ist z. B. möglich, indem die Patientin die Szene „wie eine Reporterin“ berichtet.
Bei bekannter PTBS (siehe Einleitung) oder bei entsprechendem Verdacht geht es im Erstgespräch neben der Kontaktaufnahme vor allem darum eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Patientin eine Erfahrung von Sicherheit und möglichst auch Stressreduktion macht. Bereits beim ersten Kontakt wird versucht der Patientin die neue Erfahrung zu vermitteln, dass eine Kontrolle über die quälenden inneren Zustände möglich ist. Die Patientin wird zudem darüber aufgeklärt, dass am Ende jeder Therapiesitzung darauf geachtet wird, das sie den Raum als „Erwachsene“, d.h. so weit wie möglich alltags-funktionsfähig verlässt.
Stabilisierungsphase
Ein zentraler Aspekt der imaginativen Psychotherapie posttraumatischer Störungen ist das Erlernen und Üben selbsttröstender und selbstberuhigender Übungen. Vom zeitlichen Umfang nimmt die Stabilisierungsphase den größten Teil ein, womit die Bedeutung dieses Behandlungsabschnittes deutlich wird. Hierbei werden der Patientin verschiedene Übungen zur Verfügung gestellt, aus denen sie auswählen kann, da nicht jede Übung für jeden Menschen gleich gut geeignet ist. Ein Beispiel für eine Stabilisierungs-Übung ist der innere sichere Ort.
Übung „sicherer Ort“
In einem entspannten Zustand wird die Patientin dazu aufgefordert, sich einen Ort auszudenken, an dem sie sich vollkommen sicher und wohl fühlt. Dies ist ein phantasierter Ort zu dem kein anderer Mensch Zugang hat und der auch gegenüber anderen störenden Einflüssen abgesichert werden kann. Wenn die Patientin an ihrem inneren Ort angekommen ist, dann wird sie dazu ermuntert, ihn in all seinen Anmutungsqualitäten wie Gerüche, Farben und Geräusche wahrzunehmen und zu genießen. Auch kann der Ort weiter ausgestaltet werden, bis alles optimal schön und sicher ist. Hat sich die Patientin nach dem eigenen Empfinden lange genug ausgeruht und erfrischt, dann gibt sie sich ein Zeichen zum „Aufwachen“. Möglichst ganz allmählich, dem eigenen Rhythmus folgend, kehrt sie in ihr Wachbewusstsein zurück.
Wenn die Patientin mit dieser Übung gut zurecht kommt, kann sie sie einsetzen, um einen Abstand zu den belastenden Erinnerungen an die traumatischen Erfahrungen zu bekommen. Eine weitere Übung, die dazu dient unwillkürliche Erinnerungen an das Trauma („Flashbacks“) zu stoppen, ist die sogen. Tresorübung. Hier lernt die Patientin, die quälenden Bilder, Gefühle und Köperempfindungen in einem imaginären Tresor einzuschließen.
In der Stabilisierungsphase geht es außerdem um das Erlernen eines differenzierten Umganges mit den eigenen Gefühlen. Die meisten Traumatisierten werden entweder von viel zu heftigen Gefühlen überflutet, oder sie haben überhaupt keinen Kontakt zu ihnen. Beides kann als sehr belastend erlebt werden. Für eine Patientin ist es wichtig zu erleben, dass sie ihre Gefühle steuern kann. Das heißt auch, dass das Nichtfühlen(wollen) als eine Fähigkeit an und für sich gewürdigt wird. Zu einem kontrollierten Umgang mit den eigenen Gefühlen kann die Vorstellung von einem Regler verhelfen. Hierbei übt sich die Patientin darin, ihre Gefühle wie bei einem Thermostat herauf und herunter zu regulieren.
Das Hauptziel der Stabilisierungsphase ist also der Erwerb der Fähigkeit zur Selbstkontrolle und Selbstberuhigung. Damit die Patientin außerdem ihre eigenen inneren Vorgänge besser verstehen kann, wird sie über die Folgen von Traumatisierungen aufgeklärt. Zudem werden Ich-stärkende Vorstellungen gelernt, die ein Gegengewicht zu den negativen Vorstellungen von sich selbst schaffen sollen. Über körpertherapeutische Elemente wird die Selbstwahrnehmung geschult und ein achtsamerer, freundlicherer Umgang mit dem eigenen Körper eingeübt.
Traumakonfrontations- oder Traumabegegnungsphase zur Traumasynthese
In dieser Phase geht es darum, dem Trauma geplant und dosiert zu begegnen. Diese Wiederbegegnung dient dem Ziel, die traumatische Erfahrung mit ihren dazugehörigen Vorstellungen, Gefühlen und Körpererlebnissen wieder zusammenzufügen und in den übrigen Erfahrungsschatz zu integrieren. Die wesentlichen Elemente der Traumakonfrontationsphase sind:
Geplantes und gezieltes Aufsuchen der Traumata
Gesteuertes Begegnen mittels Einsatz von Dissoziationstechniken (s.u. „Bildschirmtechnik“) und dem Recht der Patientin auf Stopp
Abreaktion und Trauer
Inneren Trost anregen und Stabilisierung der Patientin
Die Wiederbegegnung mit dem Trauma mittels Dissoziationstechniken wie z.B. der Bildschirmtechnik, verhindert, dass die Patientin erneut von den belastenden Bildern und Gefühlen überflutet wird. Bei der Bildschirmtechnik wird die Patientin dazu aufgefordert, sich eine Leinwand vorzustellen, auf der dieser alte Film abläuft. Mittels einer imaginären Fernbedienung kann sie diesen Film jederzeit stoppen. Außerdem kann sie die Bilder anhalten, schneller laufen lassen, schwarz/weiß gestalten usw. Darüber hinaus kann die Patientin das Geschehen zunächst so schildern, als sähe sie dort eine andere Person als sich selbst. Nach und nach wird die Patientin dazu ermuntert, den Film näher an sich heranzulassen und ihn schließlich auch zu fühlen. Diese Gefühle kann die Patientin wiederum mittels eines imaginären Reglers kontrollieren. Außerdem kann sie jederzeit den Film „abschalten“ und sich erholen (z. B. an ihrem inneren sicheren Ort).
Die Wiederbegegnung mit der vollständigen traumatischen Erfahrung löst in der Regel Gefühle wie Trauer und Wut aus. Hier wird die „erwachsene Patientin“ von heute dazu ermuntert, das verletzte „innere Kind“ von damals zu trösten. Am Ende der Sitzung wird darauf geachtet, dass die Patientin ihre Alltagsstabilität wiedergewonnen hat.
Einige wenige traumatische Sitzungen können für die Traumakonfrontationsphase genügen. Bei mehrfacher, aber vom Ablauf her ähnlicher Traumatisierung muss nicht jede traumatische Erfahrung bearbeitet werden. Oft genügt es hier, sich auf exemplarische Situationen zu beschränken (z.B. die erste Situation, die Schlimmste oder die Letzte).
Integrationsphase
Dies ist eine Phase des Trauerns und des Neubeginnens. Oder anders gesagt: Traumatisierte vollziehen in dieser Therapiephase den Schritt vom Opfer zum Überlebenden. Damit ist gemeint, dass das Leben der Betroffenen nicht weiter durch das Trauma bestimmt sein soll. Hierzu gehört auch, sich von der Gewalt, die der Täter ausgeübt hat, endgültig zu befreien. Es geht darum, sich wieder lebendig zu fühlen. Und indem man nicht länger in der Rolle des Opfers verweilt, kann dem Täter sozusagen im Nachhinein ein „Schnippchen“ geschlagen werden.
Es wird untersucht, in welcher Form sich traumabedingte Coping-Strategien einschränkend auf das Leben ausgewirkt haben, und neue Verhaltensspielräume werden erarbeitet. Hierbei werden Imaginationen eingesetzt, um Zukünftiges in der Phantasie durchzuspielen. Auch die Übungen aus der Stabilisierungsphase können weiterhin genutzt werden. Insgesamt ist die Arbeit in dieser Phase konflikt- und beziehungszentriert.
Die traumatische Erfahrung überwinden bedeutet schließlich, dass Gegensätze miteinander ausgesöhnt werden müssen, die sich bisher absolut ausgeschlossen haben. Dazu gehört z.B. sich in einem missbrauchten Köper wohl fühlen zu können und Menschen vertrauensvoll begegnen zu können, trotz der Erfahrung, dass dieses Vertrauen in der Vergangenheit missbraucht wurde. Auch sich generell in der Welt sicher fühlen zu können, obwohl sie sich als unsicher und lebensbedrohlich erwiesen hatte. Oftmals erfahren Traumatisierte, denen diese „Neuzusammensetzung“ nach extrem erschütternden Erlebnissen gelingt, ihr Leben danach als wesentlich reichhaltiger und erfüllter.
Vertiefende und weiterführende Literatur:
Egle UT et al. (2000) Sexueller Missbrauch, Misshandlung, Vernachlässigung. Erkennung und Therapie psychischer und psychosomatischer Folgen früher Traumatisierungen. Schattauer
Fischer G (2000) Mehrdimensionale Psychodynamische Traumatherapie MPTT. Manual zur Behandlung psychotraumatischer Störungen. Ansanger
Fischer G (2002) Neue Wege nach dem Trauma. Informationen und Hilfen für Betroffene. Versalius
Marland A (2003) Psychisches Trauma. Der „Riss“ im Seelenleben, seine Folgen, seine Heilung. IPSIS
Reddemann L et al. (2002) Imagination als heilsame Kraft. Klett-Cotta
Reddemann L (2003) Imagination als heilsame Kraft. Hör-CD mit Übungen zur Aktivierung von Selbstheilungskräften. Klett-Cotta. Erscheint im September 2003
Sachsse U et al (2002) Traumatherapie – Was ist erfolgreich? Vandenhoeck & Ruprecht
Veröffentlicht am 26. Juli 2003
Copyright © 1999-2005 by IPSIS® Institut für psychotherapeutische Information und Beratung
(entnommen unter:
http://www.ipsis.de/themen/thema_traumatherapie.htm )
--------------------------------------------------------------------------------
Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS, PTSD):
Psychotraumatische Störungen „entstehen immer als direkte Folge der akuten schweren Belastung ... Das belastende Ereignis oder die andauernde, unangenehme Situation sind der primäre und ausschlaggebende Kausalfaktor, und die Störung wäre ohne seine Einwirkung nicht entstanden” (ICD-10).
Eine ganze Schulklasse muß hilflos zusehen, wie ein Mitschüler den Lehrer ersticht:
Dreißig Schüler sind wie versteinert, leiden an Schuldgefühlen und
Angstzuständen.
Bei einem Flugzeugunglück sterben viele Menschen: Die Überlebenden
können die Bilder des Schreckens nicht mehr vergessen.
Ein ICE entgleist bei 220 Stundenkilometern,
dutzende Tote sind bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt: Überlebende, Angehörige und Helfer sind schwer traumatisiert.
Für Opfer oder Beteiligte an Überfällen, Geiselnahmen, Unfällen oder Vergewaltigungen ist
die Welt von einer Sekunde auf die nächste nicht mehr in Ordnung.
Die Symptome von PTBS wurden und werden immer noch mißverstanden oder gar nicht diagnostiziert. Es gibt Schätzungen, daß bis zu 10% der Bevölkerung (diese Zahl ist aus den USA) einmal im Leben unter PTBS leiden. Bei manchen verschwinden die Symptome von selber im Verlauf der Zeit, bei anderen bleiben sie über viele Jahre erhalten. Spätestens dann ist eine fachmännische Hilfe durch einen Psychologischen Psychotherapeuten oder einen Psychiater erforderlich.
•Zentrales Gefühl ist die Hilflosigkeit (nicht: Streß, Angst, Trauer)
•Selbstvertrauen und Vertrauen werden erschüttert
•Schuld: Gefühl, für das Ereignis oder seinen Ausgang verantwortlich zu sein
•Ärger: Gefühl der Ungerechtigkeit oder Verletzung persönlicher Regeln durch Andere
•Scham: Gefühl, eigene bedeutsame Regeln verletzt zu haben
•Trauer: Gefühl etwas bedeutsames verloren zu haben
Flashbacks: Man handelt oder fühlt so, als ob sich das traumatisierende Ereignis gerade (wieder) ereignen würde (dazu gehört z. B. das Gefühl, das Ereignis wiederzuerleben - 'ein Film läuft immer in mir ab' - , Illusionen, Halluzinationen
Kernsymptomatik:
•Intrusionen: sich aufdrängende, belastende Traumaerinnerungen in Form von Bildern, Empfindungen, Flashbacks und Alpträumen: plötzliche und 'lebendige' Erinnerungen, die 'mich überwältigen'.
•Vermeidung von Orten, Tätigkeiten, Stichworten, die etwas mit dem Ereignis zu tun haben:
Vermeidung von Gedanken, Gefühlen, oder Gesprächen, die das Trauma zum Thema haben
Vermeidung von Tätigkeiten, Orten oder Menschen, die an das Trauma erinnern
Die Unfähigkeit, sich an wichtige Details der Situation zu erinnern.
Die Unfähigkeit, Trauer, Verlust oder Ärger während des traumatisierenden Ereignisses bewirkt, daß das Trauma auch weiterhin nachwirkt, ohne daß das dem Opfer bewußt wäre. Depression und sogar Schuldgefühle (weil man z.B. als einziger einen Unfall überlebt hat) sind oft die Folgen. Aus einer Studie bei Feuerwehrleuten: "Was den Feuerwehrleuten am meisten zu schaffen macht ist, daß sie sich mit den Betroffenen identifizieren, sich hilflos oder schuldig fühlen (schuldig, nicht mehr getan zu haben), ...." [Dissertation von Dipl.-Psych. S. Rösch, 1998]
Numbing (emotionale Taubheit): Enge emotionale Bindungen mit Familie, Freunden und Kollegen werden vermieden. Die Gefühle sind allgemein vermindert, eingeschränkt, allenfalls werden routinemäßige und 'mechanische' Aktivitäten zu Ende geführt.
•Hyperarousal: Symptome der Übererregung: z.B. Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, erhöhte Reizbarkeit, mangelnde Affektintoleranz
Schwierigkeiten einzuschlafen
Irritierbarkeit oder Ausbrüche von Ärger
Konzentrationsschwierigkeiten
Hypervigilanz (erhöhte Aufmerksamkeit)
Erhöhte Schreckreaktion (startle response)
Man lebt so, als ob man immer noch aktuell durch das traumatisierende Ereignis bedroht würde. Man wird dadurch irritierbar oder 'explosiv', auch wenn man gar nicht provoziert wurde.
Viele Opfer versuchen sich selber zu 'behandeln' , indem sie ihre Einsamkeit und ihre Panikattacken mit Alkohol oder anderen Drogen bekämpfen.
Dissoziationen: Das Ereignis und das oder die dazugehörigen Gefühle werden voneinander gespalten.
Dissoziationen ermöglichen als Abwehr- oder Bewältigungsmechanismus einen Schutz vor ansonsten überwältigenden Gefühlserfahrungen. Diese Abwehr selber birgt aber die Gefahr von grundlegenden Veränderungen des Selbst- und Identitätsgefühls, der Störung der Funktionen des Gedächtnisses und auch der Selbst- und Umweltwahrnehmung. Durch all dies kann eine konstruktive Bewältigung und Überwindung des Traumas beeinträchtigt werden. Das Ausmaß von Dissoziation kann z.B. durch die DES-Skala (Dissociative Experiences Scale von Bernstein und Putnam) erfaßt werden.
Wie bei praktisch allen psychischen Phänomenen gibt es auch bei der Dissoziation ein breites Spektrum, das von als 'normal' verstandenen bis zu pathologischen Dissoziationsphänomenen geht. In Zunahme der Pathologie finden sich:
normale Dissoziation, dissoziative Amnesie, dissoziative fugue, PTSD, dissoziative Identitätsstörung und polyfragmentierte dissoziative Identitätsstörung.
Das Störungsbild der Dissoziation wurde bereits 1889 von Pierre Janet (1859 - 1947) beschrieben: Dissoziationen ('Desagregation') führen bei den Patienten zu sog. unbewußten fixen Ideen, die wiederum aufgrund des überwältigenden, intensiven Charakters des Traumas in den normalen Erfahrungsrahmen der Person nicht integriert werden können. In der Folge behindern diese Fixierungen die Fähigkeiten, mit neuen stressenden Einflüssen adäquat umgehen zu können. Sigmund Freud, der auch bei Janet gelernt hatte, verwendet den Begriff der Dissoziation in seinen frühen Schriften als aktiven Verdrängungs- und Abwehrmechanismus. Zu dieser Zeit nahm Freud auch noch einen starken Einfluß von realen Traumata, z.B. sexualisierter Gewalt, für die Entstehung von Neurosen an, was er dann aber zugunsten des Konzeptes von sexualisierten kindlichen Phantasien aufgab.
Als eine wesentliche Vorbedingung für das Auftreten von dissoziativen Störungsbildern werden spätestens seit Janet belastende traumatisierende Ereignisse angesehen. Das Konzept des psychischen Traumas als Verursacher von pathologischen dissoziativen Phänomenen fand dann in den 70er Jahren weite Verbreitung, als in der Folge des Vietnamkriegs gehäuft Kriegsteilnehmer mit psychopathologischen Störungen auftraten. Da es sich dabei häufig um hochdekorierte Soldaten oder um Freiwillige handelte, konnte diese nicht mehr, wie nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg z.B. die sog. "Kriegszitterer" als "Simulanten" oder "Rentenerschleicher" abqualifiziert werden.
Nicht zuletzt durch die Frauenbewegung wurden auch die seelischen Folgen von sexualisierter Gewalt gegenüber Kindern und Frauen ins Bewußtsein der Öffentlichkeit und der Fachwelt gerückt.
Traumaerfahrung kann sich in verschiedener Form zeigen:
- Bei der primären Dissoziation ist die normale, integrative Gedächtnisfunktion beeinträchtigt. Es entstehen isolierte Gedächtnisanteile, die oft mit affektiven, somato-sensorischen oder auch visuellen Intrusionen einhergehen. Diese Gedächtnisanteile werden dann oft durch spezifische Auslöser ('Trigger') wieder hervorgerufen und wirken dann bedrängend.
- Bei sekundärer oder peritraumatischer Dissoziation kommt es zu Bewußtseinszuständen, die vom Gefühl der Depersonalisation bis hin zum Gefühl des 'Heraustretens' aus dem eigenen Körper reichen können. Hier trennt sich dann das erlebende oder handelnde Selbst vom beobachtenden Selbst. Auch dieser Mechanismus ist ein Schutz gegen die ansonsten unerträglichen Gefühle in der traumatisierenden Situation.
- Bei tertiärer Dissoziation handelt es sich um eine Reaktionsbildung auf wiederkehrende Traumatisierungen. Sie führt zur Ausbildung von verschiedenen Persönlichkeitsfragmenten, die ganz unterschiedliche komplexe Muster auf affektiver, kognitiver und Verhaltensebene repräsentieren.
Diese Symptomatik kann unmittelbar oder auch mit z.T. jahre- bzw. jahrzehntelanger Verzögerung nach dem traumatischen Ereignis auftreten!
Apersonale Traumatisierungen
sind Traumatisierungen durch z.B. Unfälle, Naturkatastrophen u.ä. (z.B. Erdbeben)
Personale Traumatisierungen
sind Traumatisierungen durch körperliche und sexualisierte Gewalt (z.B. Vergewaltigung, Überfall). Sie haben meist intensive psychische Beeinträchtigungen zur Folge.
Folgende Kriterien zur Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung sind derzeit festgelegt:
Kriterium A, Stressor-Kriterium
die Symptomatik muß einem traumatischen Ereignis folgen
Kriterium B, Flashbacks, Alpträume
dem Wiedererleben des Traumas
Kriterium C
dem Vermeiden traumarelevanter Reize
z.B. sich an Teile des Ereignisses nicht erinnern können, bestimmte Orte oder Situationen meiden
Kriterium D, Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme
und den Symptomen eines erhöhten Erregungsniveaus
Kriterium E, Dauer der Störung wenn die Symptomatik länger als einen Monat andauert
Kriterium F, Beeinträchtigung der Lebensqualität
muß eine wesentliche Einschränkung der Lebensqualität beim Betroffenen hervorrufen
Akute PTBS = die Symptome treten bis zu drei Monaten lang auf
Chronische PTBS = die Symptome treten länger als drei Monate auf
Behandlung
Verhaltenstherapie: Hier versucht man die schmerzhaften und intrusiven Verhaltens- und Denkmuster zu verändern. Dazu setzt man Entspannungstechniken und Expositionstechniken ein.
Psychodynamische Psychotherapie: Hier versucht man - neben der Vermittlung von Bewältigungsstrategien, Entspannungstechniken und der Aktivierung von Ressourcen - die persönlichen Werte eines Menschen zu ergründen und festzustellen, wie Verhalten und Erleben während des traumatisierenden Erlebnisses diese beeinträchtigt hat.
Medikamentöse Therapie: Hier versucht man z.B. durch den Einsatz von Antidepressiva oder Beruhigungsmitteln die belastenden Auswirkungen des PTBS zu mindern.
Eine typische psychotherapeutische Behandlung gliedert sich in 3 Phasen:
1. Stabilisierungsphase
In dieser Phase ist es wichtig, eine gute, Sicherheit vermittelnde therapeutische Beziehung aufzubauen. Den PatientInnen wird dabei geholfen, ihre innere, zwischenmenschliche und äußere Sicherheit wiederzuerlangen. Sie lernen, mehr Kontrolle über die Symptomatik und das eigene Verhalten zu entwickeln. Besonders wichtig ist es oft, den PatientInnen viele Sach-Informationen über die Ursache ihrer Störung, der folgenden Symptomatik und insbesondere auch über die Tastsache der Normalität ihrer Reaktion zu geben. Eigenverantwortung und eigene Fähigkeiten der PatientInnen werden konsequent gefördert. Mit Hilfe von Imaginationsübungen erlernen die PatientInnen, mit der überflutenden Symptomatik von Flashbacks, Alpträumen und deren körperlichen Begleitreaktionen umzugehen.
Die Erfahrung, durch die Imaginationsübungen und Anderes selbst zur eigenen Heilung beizutragen und damit mehr Eigenverantwortung und Eigensteuerung zu übernehmen, stärkt das Bewußtsein für die eigene Kraft und eigene Kompetenz. Mit diesen Methoden machen die PatientInnen insbesondere Erfahrungen, die sie aus der Therapiestunde mit nach Hause nehmen und dort weiter für sich nutzen können.
In Einzelgesprächen werden neben Diagnostik und Therapieplanung die gemachten Erfahrungen vertieft und besprochen. Falls eine Symptomatik mit selbstschädigendem Verhalten besteht (z.B. Selbstverletzung, Suchtmittelkonsum) wird in einer Vertragsarbeit alternatives Verhalten erarbeitet. Ggf. wird die Behandlung mit Medikamenten unterstützt, so z. B. bei starken Depressionen, Schlafstörungen oder Unruhezuständen.
Eine Grundregel ist: Über die traumatischen Erfahrungen wird nicht gesprochen - oder: Es kann über alles, es muß aber über nichts gesprochen werden. Das Bearbeiten der traumatischen Erlebnisse soll nach guter Vorbereitung nur im therapeutischen Rahmen stattfinden.
Für einige PatientInnen sind Angebote in Körperwahrnehmung, Spannungsreduktion und Selbstfürsorge sehr hilfreich. Das Erlernen z.B. der Progressiven Muskelrelaxation und des autogenen Trainings, das Erarbeiten eines 'inneren sicheren Ortes' unterstützen ebenfalls die Selbstberuhigungsfähigkeiten der PatientInnen.
Manchmal müssen in dieser Therapiephase schwierige Lebensumstände geklärt werden. Dazu bieten sich ggf. Familien- oder Paargespräche sowie eine sozialarbeiterische Unterstützung an.
Die Dauer dieser Phase ist je nach Zeitpunkt und Art der Traumatisierung sehr unterschiedlich. Manche PatientInnen fühlen sich nach dem erfolgreichen Durchlaufen dieser Phase stabilisiert genug, um in ihren Alltag zurückzukehren. Manche kommen später zu einer gezielten Traumabearbeitung zurück in die Therapie oder es schließt sich direkt die zweite Phase der Traumatherapie an.
2. Traumabearbeitungsphase
Die Methoden der Stabilisierungsphase werden während der ganzen Therapie fortgesetzt. Die Phase der Traumabearbeitung und die Phase der Stabilisierung können sich im Verlauf der Behandlung immer wieder abwechseln.
Die Traumabearbeitung erfolgt durch ein strukturiertes, dosiertes und kontrolliertes Wiedererleben zentraler Aspekte des Traumas. Dadurch wird der Verarbeitungsprozeß der traumatischen Erlebnisse weiter fortgesetzt, die Speicherung der Traumata im Gehirn verändert sich, durch Wiedererleben kommt es zur Integration dieser Erfahrungen in die Gesamtpersönlichkeit.
Anders ausgedrückt, kann man auch sagen, es findet eine Entgiftung mit nachfolgender veränderter gedanklicher und emotionaler Bewertung statt.
Die Konfrontation mit dem Trauma führen wir mit den Methoden der Screen- bzw. Bildschirmtechnik oder dem EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) aus. Wesentlich bei beiden Techniken ist, daß die Betroffenen keine Retraumatisierung durch einen erneuten Kontrollverlust erleiden, die Kontrolle des Patienten über den Prozeß hat Vorrang. Bei der Bildschirmtechnik wird das traumatische Erlebnis nochmals gezielt und gesteuert kurzfristig erlebt, so daß eine Synthese aus Wort, Bild, Affekt und Körpersensation erreicht wird. Die Wirksamkeit der EMDR-Methode versteht z. Zt. man so, daß die Informationsverarbeitung der traumatischen Ereignisse nachträglich beschleunigt wird und so zu einer Speicherung des verarbeiteten Traumas als Erinnerung führt. Dabei kommt es auch zur Veränderung der Bewertung der Situation und der eigenen Rolle in dem Geschehen. Dies führt zu einer Selbstwertstärkung, so daß im Laufe des therapeutischen Prozesses die Vorstellung, ein passives Opfer zu sein zu der eine aktiv handelnde Überlebende zu sein wechselt. Es entwickelt sich wieder mehr Selbstvertrauen in die eigene Person und die eigenen Fähigkeiten.
3. Integrationsphase
In der 3. Therapiephase, die eher einer 'normalen' Psychotherapie ähnelt, geht es um die weitere Verarbeitung im Sinne von Integration des Geschehenen. Häufig muß Trauerarbeit geleistet werden, das Selbsterleben und Lebensgefühl hat sich verändert, so daß neue Bewältigungsstrategien entwickelt werden müssen. Wichtig ist, daß die PatientInnen sich wieder stark und im Besitz ihrer Kräfte fühlen, so daß sie angemessene Entscheidungen für ihr weiteres Leben fällen können.
Auch in dieser Phase kann sozialarbeiterische Unterstützung oder die Durchführung von Paar- oder Familiengesprächen notwendig sein.
( gefunden unter:
http://www.traumatherapie.org/ )